Liebesbedürftigkeit macht blind und übereifrig

Thema „Wie man auch als lieber netter Mann eine Frau verjagen kann – indem man zu viel macht“. Denn das tun Menschen, die unbedingt Liebe wollen.


Weil Freundinnen und Klientinnen von mir öfter erleben, dass ein Mann zu viel Gas gibt, erzähle ich euch heute, wie das auf eine Frau wirkt. Vor einiger Zeit lernte ich über eine Singlebörse einen Mann kennen, nennen wir ihn Andreas. Vor dem ersten Treffen hatten wir Mailaustausch und zwei Telefonate; ich war begeistert, weil er auf seinem Foto so etwas ganz Ruhiges, Tiefes ausstrahlte und richtig gute Sachen im Profil stehen hatte; auch die Mails und Telefonate waren sehr angenehm.
Dann traf ich ihn. Live wirkte er nicht mehr ruhig, tiefgründig und selbstbewusst, sondern nervös, unsicher und anbiedernd. Das merkte ich an ganz winzigen Sachen: an seiner Körperhaltung, an seinen Blicken, an dem leichten Zittern seiner Unterlippe, an seinem Herumgenestle mit den Händen usw. Dass das nicht grade sexy war, könnt ihr euch denken. Es gibt Männer, bei denen auch Unsicherheit sexy wirkt, und zwar dann, wenn sie dazu stehen und es mit Humor oder Selbstironie nehmen. Andreas wirkte eher, als sei er ein bisschen verzweifelt.
Ein Strauß rote Rosen schon zum ersten Date wirkt übereifrig
Zudem hatte er einen Strauß rote Rosen für mich dabei – nette Geste, aber viel zu viel! Rote Rosen sind ja ein Zeichen von Liebe, aber das ist unangebracht bei jemand, den man noch nie getroffen hat! Und es wirkt liebesbedürftig. Der Haken an Liebesbedürftigkeit ist nicht nur, dass die Betroffenen dazu neigen, sich klein zu machen/ zu verbiegen, nur um Liebe zu bekommen (man darf sich NIEMALS klein machen/ verbiegen, um Liebe zu bekommen, niemals! Dein Gegenüber spürt es, dass du nicht mehr auf Augenhöhe bist, sondern ihn/sie über dich stellst!); sondern auch, dass das bei mir, der Empfängerin, den Eindruck hervorruft, dass es ihm vor allem darum geht, Liebe zu bekommen, denn er nimmt sich ja noch nicht mal richtig Zeit, mich kennen zu lernen. Er wirft seine vermeintlichen Liebesgefühle und seine diesbezüglichen Wünsche also auf seine Illusion von mir, statt mich als reelle Person und Persönlichkeit ganz langsam lieben zu lernen.

Zurück zu Andreas: Beim ersten Date merkte ich schon, dass er mir sehr zugeneigt war, ich meinerseits war mir aber nicht so sicher. Mich störte das, was ich beobachtet hatte, ein bisschen; er wirkte auf mich nicht stark genug, um mir ein ebenbürtiger Partner zu sein, aber vielleicht verunsicherten ihn erste Dates sehr… ich wollte ihn mir auf jeden Fall noch näher ansehen, vielleicht einfach ein paar nette lockere Treffen haben.
Bereits nachts schrieb er eine SMS:
«Ich fand es sehr schön mit Dir 😀
mag Dich gerne wiedersehen!
Alles Liebe, Andreas»

(Sowas sollte man eigentlich nur machen, wenn man deutlich gespürt hat, dass es der Frau auch so geht.)
Ich erwiderte am Morgen:
«Hi Andreas,
ich sollte vielleicht vorsichtshalber anmerken, dass es bei mir nicht “gefunkt” hat; aber ein Wiedersehen können wir gern machen – z.B. wandern gehen?»

Dies nahm er gleich zum Anlass, mich bereits Stunden später zu fragen, wann wir denn mal spazieren oder wandern gehen könnten.
Zu schnell, zu viel!
Ich erwiderte, ich hätte derzeit viel zu tun und wenig Zeit (was ungefähr der Wahrheit entsprach – allerdings ist es auch so: wenn eine Frau einen Mann toll findet, will sie ihn binnen weniger Tage wiedersehen und kann sich fast immer ein Zeitfenster schaffen). Das nahm er aber, leicht blind vor Liebesbedürftigkeit, nicht so recht ernst und schickte mir im Verlauf von anderthalb Wochen unheimlich viele Whatsapp-Nachrichten – zum Teil nur Smileys und Blümchen, wie furchtbar! Ich bin doch nicht 10 Jahre alt!
Auf 1 Nachricht von mir kamen im Durchschnitt 5 – 6 Nachrichten von ihm. Nicht gut.
Dazu kam, dass manche seiner Nachrichten mir zu nah auf die Pelle rückten: „Guten Morgen, mein Engel“ (sobald ich morgens bei Whatsapp online ging), „guten Abend, du Schöne“, „Gute Nacht und träume süß“, und das jeden Tag! Smileys mit Kussmund, Blümchen, der Vorschlag, dass er mich bekochen wolle, oder auch, mir die Füße massieren könne…
Je mehr solche Sachen kamen, desto mehr fühlte ich mich bedrängt und desto weniger hatte ich Lust auf ein erneutes Treffen.

Liebesbedürftigkeit zeigt sich auch in so kleinen Sachen wie:
• Er antwortet immer sofort auf meine Nachrichten,
• er räumt mir (gemessen am Stand unserer „Beziehung“) zu viel Priorität ein,
• er merkt nicht, dass ich (auch in meiner Freundlichkeit ihm gegenüber) auf die Bremse trete, weil er zu viel Gas gibt. Ich antwortete oft gar nicht oder mit Verzögerung, ich schrieb „Grüße“ statt „ganz liebe Grüße“, ich schrieb „ich hab höllisch viel zu tun“, weil ich ihn nicht vor den Kopf stoßen mochte mit der Wahrheit, nämlich dass mir das zu viel wurde, was er da vorlegte.

Wenn Männer diese kleinen Signale nicht zu lesen wissen und dementsprechend ihr Verhalten modifizieren, sondern weitermachen damit, alle Stoppschilder der Frau zu überrennen und nach ihr zu greifen, ist es logisch, dass sie irgendwann die Tür zuknallt und einen Riegel vorschiebt!

Als Andreas am 12. Tag sieben Nachrichten hintereinander sandte, die Hälfte davon Terminvorschläge, antwortete ich: „Sorry, diese vielen SMS und die Drängelei, das wird mir einfach zu viel!“
Aber statt mal innezuhalten und sich zu fragen, ob da was dran ist und was er stattdessen tun sollte, schrieb er „War keine Drängelei“ und weitere Terminvorschläge. MANNNNN!!!
Ab da beschloss ich, nie mehr etwas zu erwidern. Von ihm kamen sage und schreibe acht Nachrichten innerhalb von anderthalb Tagen; die letzte lautete: “Ich habe keinerlei sexuelles Interesse an dir; meine Herzdame ist 32 und lebt in München.”
Da muss ich jetzt noch laut und dreckig lachen, wenn ich das lese. Er dachte wohl, er könne mir zum Abschied noch eins reindrücken à la “Bild dir bloß nicht ein, dass ich dich irgendwie begehrt hätte, denn ich stehe auf Frauen, die deutlich jünger sind als du.”
Ist ja wohl klar, was ich machte: Auf allen Kanälen sperren.

Tipp zum Schluss: Natürlich heißt das nicht, dass du als Mann dich am besten immer gleich in eine unterkühlte Haltung zurückziehen solltest. Nein, die Kunst besteht darin, erstens die richtige Balance zu finden zwischen Zurückhaltung und Werben, zweitens, ein gutes Gespür dafür zu haben, was die Frau dir an Entgegenkommen signalisiert, und nicht darüber hinauszuschießen.
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© Beatrice Poschenrieder

Liebesbedürftigkeit macht blind und übereifrig

4 Gedanken zu „Liebesbedürftigkeit macht blind und übereifrig

  1. Sowas erlebe ich echt oft und es ist echt nervig! In der Art, jetzt fallen bald die Tore zu zum Heiraten!
    Hallo, das törnt nur ab, man möchte sich ja auch mal ne Familie gründen, aber nicht innerhalb von einem Monat!
    Bleibt mal auf dem Teppich, Jungs.

  2. Hallo,
    sehr schöner Beitrag, der gut beschreibt: die Dynamik, die ein vielleicht Interesse binnen kürzester Zeit zum Erlöschen bringen kann. Ich glaube, es geht da um ein freies Spiel, Liebe genannt. Solange alles frei und spielerisch ist, ist alles gut und Liebe kann entstehen… Ist aber Bedürftigkeit da, fühlt sich der Andere schnell in Ketten gelegt und ist dann schnell über alle Berge. Danke!

  3. Tja und wie macht man es nun richtig? Für den einen sind viele SMS schön, für dich war es zu viel, weil du nicht verliebt warst. Was ist denn jetzt die richtige Balance?

  4. Na, zum Teil findest du die Antwort im “Tipp zum Schluss”: «die Kunst besteht darin, erstens die richtige Balance zu finden zwischen Zurückhaltung und Werben, zweitens, ein gutes Gespür dafür zu haben, was die Frau dir an Entgegenkommen signalisiert, und nicht darüber hinauszuschießen.»
    Und eine genaue Antwort bekommst du in diesem Beitrag:
    «Wann und wie oft soll ich anrufen, wenn ich an jemand interessiert bin?»
    Herzliche Grüße von Beatrice

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