Offene Beziehung, Polyamorie: Ist Monogamie überholt? Teil 2!

Im letzten Beitrag fragte ich, ob es plötzlich normal ist, mit mehreren Partnern gleichzeitig zugange zu sein. Hier die Meinung einer Frau…

Ein Mann zwischen zwei Frauen, Polyamorie, Polygamie

Eine Leserin, Klara, schrieb mir einen wundervollen Kommentar zu Teil 1 dieses Beitrags:
«Hallo Beatrice!
Mir gefällt an deinem Beitrag am besten deine Feststellung “die kriegen nicht mal EINE gute Beziehung hin”! Das trifft den Nagel auf den Kopf; die Polyamoristen mit wachsendem Bewusstsein und der nötigen Offenheit sind glaube ich in der Minderheit gegenüber denen, die’s alle probieren mit diesen Beziehungsmodellen und sich durch pseudowissenschaftliche Studien bestätigt fühlen, dass sie es mit Monogamie erst gar nicht zu versuchen brauchen. Geht ja eh schief, weil gegen die Biologie und die Gene kann er ja üüüberhaupt nix machen, der arme Mann 😉
Der 50jährige, den du erwähnst, beantwortet deine Frage schon ganz gut:
1. Er fürchtet sich davor, alt und krank zu werden und dann allein dazustehen,
2. er fürchtet sich davor, etwas zu verpassen.
Ich habe den Eindruck, es gibt etliche Männer, die denken, sie müssten eine gewisse Anzahl von Frauen gehabt haben, um “richtig” gelebt zu haben – nachher kommt ja nix mehr! Alter und Tod sind Themen, die sie möglichst weit von sich wegschieben, und vielleicht meinen sie, es gehöre zu einem erfüllten Leben, sich sexuell möglichst ausgelebt und viel ausprobiert zu haben. Womöglich fühlen sie sich auch, als wäre das die einzige Sache in ihrem Leben, über die sie Kontrolle haben, weil sie vielleicht einen miesen Job haben, arbeitslos oder finanziell abhängig sind (und z.B. der Boss nervt oder die Mutter oder wer auch immer). Da muss dann was anderes vom tristen Alltag ablenken und sie verlegen sich aufs Sexuelle und wollen halt da irgendwas Besonderes erreichen und daher muss es hoch hergehen mit den Mädels im Bett.
Das wäre meine Idee dazu, wenn ich mich so umhöre, wer alles in offenen Beziehungen lebt. Richtig glücklich wirkt auf mich nämlich keiner von denjenigen, die ich kenne (Altersgruppe zwischen 30 und 40). Bei denen plätschert eher alles so vor sich hin.
Oder man will einen Mangel an Selbstwertgefühl ausgleichen, weil: Was ist besser, als von einem Menschen geliebt zu werden? Von zwei Menschen geliebt zu werden. Je mehr, desto besser. Desto liebenswerter bin ich.

Bei diesen älteren Herren (50, 60) die du erwähnst, kommt vielleicht hinzu, dass sie nie allein gelebt haben, weil sie es nicht mussten. Da kann einen die Aussicht, im gehobenen Alter zum ersten Mal im Leben allein zu sein, vermutlich ziemlich ängstigen. Können sie im Fall des Falles alleine überleben? Kochen, putzen, waschen,…? 😉 Da scheint auch Bequemlichkeit mitzuspielen. Bedenke auch die Wortwahl von “ich brauche…” “ich will…”. Und, was würde der/die andere wollen? Ob sich diese Männer danach schon mal bei ihren Partnerinnen erkundigt haben?

Ja, ich würde schon sagen, dass Bindungsangst eine große Rolle spielt, gleichzeitig Angst davor, mit sich allein zu sein (Hilfe, wie geht das?!), und dazu (auch bei den Jüngeren) das Verlangen, sich nach möglichst vielen Seiten abzusichern.
Weil, verlasse ich mich auf einen einzigen Menschen, dann ist das Risiko höher, allein dazustehen, wenn der/diejenige eines Tages weg ist. Die vertragliche Bindung einer Ehe würde wenigstens das Verlassenwerden etwas erschweren, wogegen ein Mensch in einer Partnerschaft ohne rechtliche Verpflichtungen mir nichts dir nichts ausgetauscht werden könnte. Da ist’s doch angenehmer, ein oder zwei Backup-Partner/innen zu haben!

Unter der sogenannten Generation Y ist es verbreitet, sich möglichst auf nix festzulegen. Aus meinem Bekanntenkreis weiß ich (bin selbst ü30), dass sich viele um die Zukunft sorgen, besonders was die Arbeit und das Finanzielle angeht. Die haben Angst, dass die Beziehung schief geht oder die Ehe, und haben das Gefühl, dass sie UNmöglich langfristig planen können, z.B. was die Familiengründung betrifft oder den Wohnort. Es kommt dann halt vor, dass sie sich auch vor Herzschmerz möglichst absichern wollen, indem sie sich gleich gar nicht zu sehr auf jemanden einlassen, oder, auch das kenne ich, gleich gar keine Beziehung eingehen und vorgeben, sich selbst zu genügen. Ich habe etwa eine Bekanntschaft zu einem gestandenen Mann Mitte 30, der sich offensichtlich nicht an mich rantraut, weil er Angst hat – wieder mal? – abgewiesen zu werden. Keiner geht mehr ein Risiko ein, ist meine Erfahrung.
Der Grundtenor ist, lieber sich nicht zu tief auf jemanden einlassen, denn der könnte einem wehtun… Lieber oberflächlich bleiben, unverbindlich, “Freundschaft plus” leben und Sympathien auf mehrere Personen verteilen statt auf eine, das ist sicherer.
Gleichzeitig meinen viele, sie müssten unbedingt jedem Verliebtheitsgefühl nachgeben, das sich z.B. am Arbeitsplatz oder sonstwo außerhalb der Beziehung einstellt – hallo Selbstkontrolle! Die Angst etwas zu verpassen ist natürlich ein Thema. Kommt jemand “Besseres” daher, für den/die sich alles aufzugeben lohnt? Oder stehe ich am Ende wieder vor haargenau den gleichen Problemen, die ich in der alten Beziehung auch hatte, und wundere mich, wie es dazu kommen konnte? Bleibe ich in zwei halbgaren Beziehungen?
Da würde ich mich fragen, ob ich meine Zeit damit verbringen will, immer zwischen den Stühlen zu sitzen und von einem Partner zum anderen zu hecheln, stundenlang zu diskutieren und zu verhandeln,… ist es das wert? Sich andererseits von einer einzigen Person alles zu erwarten und zu verlangen, sie solle alle meine Bedürfnisse und Wünsche erfüllen, das ist glaube ich zuviel verlangt. Vielleicht suchen deswegen manche eine entsprechende Ergänzung in einer Außenbeziehung. Was Menschen unter Liebe verstehen, ist daher ganz unterschiedlich. Manche scheinen darunter zu verstehen, sie müssten möglichst viele Menschen konsumieren.

Kurz gesagt, ich denke, es gibt mehrere Ursachen dafür, warum Beziehungsmodelle wie offene Beziehung und Polyamorie gerade in Mode sind, darunter eben Sicherheitsdenken, Angst vorm Alleinsein, Selbstwertprobleme, Unzufriedenheit und die Suche nach dem Kick, Angst sich ganz auf einen anderen Menschen zu verlassen, mangelnde Empathie und eine Konsumhaltung (möglichst viel und möglichst sofort), befeuert durch die Möglichkeit von Singlebörsen und Datingapps.»

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