Schräge Dates: Das kürzeste Date meines Lebens

Manchmal klaffen ein Singlebörsen-Profil und die Realität so krass weit auseinander, dass es gut ist, wenn das Date schnell vorbei ist…

Attraktiver reifer Mann auf einer Singlebörse / Partnerbörse
Ganz ähnlich sah sein Profilbild in der Singlebörse aus

Diese Geschichte ist schon eine Weile her…
Als ich mal wieder solo war, warf ich an einem Samstag einen Blick in meine Lieblings-Singlebörse und freute mich, als ein überaus attraktiver 48jähriger mich besuchte: Das (einzige) Foto zeigte einen junggebliebenen, fast faltenfreien Mann mit gepflegtem Vollbart, schönen Zähnen, strahlenden Augen, umwerfendem Lächeln und vollem dunklem Haar, glatt, kurz geschnitten. Laut Profil 1,75 cm hoch und schlank. Ich bin auch nicht grade großgewachsen, also wunderbar.
Und Yippie, 5 Minuten später schrieb er mich an:
“gute morgen
kaffee
duschen
radio
zeitung
laufen
so ist meine tages beginn
wie ist bei dir
H.”
Ich: “heute bei mir genau gleich, aber in anderer reihenfolge:
kaffee, radio, online-nachrichten
joggen (heute 1 std 15 min!)
duschen”
Er: “ich rede gerne als schreiben…
ich mag real treffen besser als chatten.”

Gut, mit dem Deutschen hatte er´s nicht so, aber vielleicht war er ein englischsprachiger Kreativer? Sein Profil ließ das vermuten.
Ich: “Wie wär´s erst mal mit Telefonieren?”
Sofort sandte er seine Handynummer plus gleich vorab eine Menge Infos (damit ich schon mal Bescheid weiß?):
“kann kochen ich kann fahren ich mag ostsee politisch marxist ich habe eigen wohnung in neukölln”
und dann: “Was mir wichtig ist: Akzeptanz und Auseinandersetzung | Charakter und Charme | Empathie und Energie | Liebe und Lässigkeit | Interesse und Intellekt | Stärke und Sexualität | Verlässlichkeit und Vertrauen | Wertschätzung und Würde I Weiblichkeit”
Wo hatte er das bloß geklaut? Mit seinem sonstigen Deutsch passte das nicht zusammen. Und dann kam gleich noch was hinterhergeschossen, vermutlich auch irgendwo geklaut, war mir aber egal, bei dem sympatischen Aussehen.
“lieber gleich heute bei einem Kaffee oder Wein merken ob es Sympathie gibt oder auch nicht . Mann/Frau kann sich ja auch schnell verabschieden, Kind krank , Haus brennt …..”
(Was er damit meinte, war mir erst später klar…)

Ich rief ihn an (es war 19.30), um ihm zu sagen, dass ich zufällig heute abend frei hätte. Er erwiderte etwas, was ich nicht gleich verstand, er wiederholte in sehr gebrochenem Deutsch: er sei Immobilienmakler (ok, also kein Kreativer, und auch kein englischsprachiger, sondern arabisch), habe den ganzen Tag gearbeitet (Samstag!), er wolle jetzt nur noch in seiner Stammkneipe sitzen und ein Glas Wein trinken.
Ich sagte, dass ich mich evtl aufraffen würde, meinen gemütlichen Balkon zu verlassen, um nach Neukölln zu fahren, wenn ich/wir es damit verbinden könnte/n, zu einer bezaubernden Location zu gehen, wo ein interessantes kostenloses Jazzkonzert stattfand. Dazu meinte er nur, er melde sich in 20 Minuten. Merkwürdig.
Ich beeilte mich sehr, mich rasch aufzuhübschen und zur S-Bahn zu rennen; schrieb ihm, wo genau die Location ist (bei ihm um die Ecke) und dass ich mich freuen würde, wenn er kurz vorbeischauen könnte. Seine Reaktion: Er schickte mir die Adresse einer Kneipe zwei Straßen weiter und dass ich um 21 Uhr dort sein solle.
Oh, dachte ich, EL CHEFE! Nee, Freundchen, wenn ich schon extra nach Neukölln komme, wirst du ja wohl deinen Popo 300 m weit bewegen können. Ich reagierte nicht und sah mir in aller Ruhe das Konzert an.
Um neun war Konzertpause, ich ging nach draußen und sah, dass er gesimst hatte: er warte vor der Tür auf mich. Aber ich war ja bereits vor der Tür! Ich sah ein Dutzend lässige junge Leute und einen alten kleinen dicken Penner, aber weit und breit keinen, der wie der schöne Mann in dem Profil aussah! Also rief ich ihn an. Dreimal dürft ihr raten, wer sein Handy zückte: der alte kleine dicke Penner. Schütteres Haar, graue struppige Kringellöckchen, verschwitzt, weil er einen Hut auf hatte, und zwar einen albernen, viel zu kleinen Trilby-Hut aus Leder. Darunter ein verlebtes Gesicht mit tiefen Schlechte-Laune-Falten und Tränensäcken. Er saß auf einem kniehohen Blumentopf, sein Hemd spannte über seinem Kugelbauch (von wegen „schlank“ und 48!). Aber das war nicht mal das Schlimmste, sondern seine extrem griesgrämige, geradezu feindselige Miene, und zwar auch dann noch, als ich lächelnd auf ihn zuging und mich zu erkennen gab. Keine Andeutung eines Begrüßungslächelns. Er stand auch nicht auf, sondern blieb stur auf dem Blumentopf sitzen. Ich lächelte weiterhin ein bisschen, obwohl mich das alles befremdete, und sagte: „Ich hab dich gar nicht erkannt, du trägst ja gar keinen Bart!“ Das war natürlich nicht das einzige, was ihn von dem Mann im Profil unterschied, sondern ALLES, sprich, er hatte ein Fake-Foto eingestellt. Er erwiderte mürrisch: „Man wird sich ja noch rasieren dürfen!“
Ich lächelte milde, stand vor ihm und harrte der Dinge.

Schreckliches Date mit ungepflegtem Mann
In echt sah er aus wie der hier…

Ich glaube, er war so übellaunig, weil ich seinem Befehl nicht nachgekommen war und er zu meiner Location hatte kommen müssen. Nach einer eisigen Minute presste er zwischen den Zähnen hervor, was ich nun vor hätte? „Das Konzert ist noch nicht zu Ende“, antwortete ich freundlich, „du kannst gern mit reinkommen!“ (Das war eine Höflichkeitsgeste, denn ich hatte keine Lust, mit ihm in seiner Kneipe zu sitzen.)
Er radebrechte etwas von, er würde dieses Volk hier hassen, diese scheißbürgerlichen Jungspießer (wenn ihr die jungen Leute dort gesehen hättet, würdet ihr euch über diese sehr unzutreffende Beschreibung wundern), nein, keine Sekunde würde er länger bleiben. Stand auf und ging grußlos. Ich erkannte nun auch, warum er auf dem Topf sitzen geblieben war, statt für mich aufzustehen: Er maß vielleicht 165 cm, also von wegen 175.
Das ganze hatte keine drei Minuten gedauert: Das mit Abstand kürzeste und wohl auch ätzendste Date meines Lebens.

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© Beatrice Poschenrieder
„Mr.

Dieser Mann hier entspricht genau dem Typus „Kotzbrocken“ aus meinem unterhaltsamen und lehrreichen Ratgeber über Männer, die für feste Beziehungen ungenießbar sind: Mister Aussichtslos (11,90 Euro).

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Schräge Dates: Das kürzeste Date meines Lebens

3 Gedanken zu „Schräge Dates: Das kürzeste Date meines Lebens

  1. Ich bin schockiert. Wie kann dieser Typ mit sich selbst leben. Und dann dieses eindeutige Fake-Profil. Extrem oberpeinlich, die Nummer. Ok, das mit den scheißbürgerlichen Jungspießern finde ich lustig, aber klingt bei dem eher nach Neid. Eines würde ich ihm aber trotzdem zuschreiben: “der hat Eier”, denn er ist zu dem Treffpunkt gekommen, trotz eindeutiger Lügen.

  2. Lach!
    Stellt sich dann nur noch die Frage, ob das nun “Eier” waren, die ihn trotz Fake-Profil zum Treffpunkt kommen ließen, oder ob es ihm vielleicht schei…egal ist, dass er die Frauen unter falschen Vorgaben zum Date lockt. :-))

  3. Das Buch steht jetzt ganz oben auf meiner Geburtstags-Wunschliste (in 3 Wochen) und wird dann mit mir auf meinen Liegestuhl kommen! 🙂

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