Warum schafft man es einfach nicht, jemand an sich heranzuziehen und eine Beziehung aufzubauen? Ich zeige es dir an einem echten Beispiel
Frage:
Die letzten Tage habe ich viele Beiträge von dir förmlich aufgesaugt, denn ich habe einige von meinen Problemen wiedererkannt. Im Grunde geht es mir ähnlich wie dem, der fragt: “Warum will mich keine?” Diese Frage stelle ich mir auch seit Jahren. Ich habe kaum Selbstvertrauen, bin sehr zurückhaltend und schüchtern – bei Menschen, die ich gut kenne, zwar fast nicht, doch wenn es um Frauen ansprechen und näher kennenlernen geht, habe ich große Angst vor Zurückweisung.
Bisher war ich all die Jahre durch die Lernerei für Abitur und Ausbildung viel zu beschäftigt, habe mich ständig unter Druck gesetzt. Es blieb keine Zeit übrig, um ein Mädchen kennenzulernen.
Als kleiner Junge hatte ich gar keine Probleme mit den Mädchen. Später schien es mir, dass ich für Mädels nicht attraktiv sei. Dies hält mir mein innerer Kritiker auch heute ständig unter die Nase, sobald mein Selbstbewusstsein wiedermal im Keller ist.
Vor ein paar Jahren habe ich endlich angefangen, öfters mit Freunden auszugehen. Beim Ausgehen geht es erst mal nur ums Äußerliche. Doch es kam vor, dass sich eine junge Frau offenbar für mich interessierte, mich ansprach oder sogar berührte. Nur habe ich mich niemals verabreden können. Dachte auch viel zu viel darüber nach, was ich alles falsch machen könnte.
Als ich meine Ausbildung machte, kam ich in eine Klasse voller netter, bildhübscher junger Frauen, und war der “Hahn im Korb”. Dies hat mir gut getan. Mit der Zeit habe ich mich an die attraktiven Frauen gewöhnt, lernte mit der Situation umzugehen. Je offener ich wurde, desto schöner wurde der Kontakt zu ihnen.
Im letzten Jahr war ich oft in einer Freistunde mit den Mädchen im Cafe, Eisdiele etc.. Mit der Zeit lernte ich “lockerer” zu werden. Die Mädchen bemerkten, dass ich ein guter Zuhörer, einfühlsam, offen für Gespräche und für die Lösung von emotionalen Problemen bin. Für mich war es sehr interessant festzustellen, dass so attraktive Frauen auch so ihre Problemchen haben.
Jedoch schien sich keine so richtig für mich zu interessieren; zwar für mich zwar als Freund, jedoch nicht als Partner.
Vor Beginn meines Studiums hatte ich einen Aushilfsjob. Dort lernte ich zwei sehr attraktive Frauen kennen, S und J. J und ich kamen in Kontakt. Konnte es gar nicht fassen, war ultra nervös. Ich konzentrierte mich auf S, doch sie hatte schon einen festen Freund. J fand ich auch toll, und offenbar war sie noch frei. Sie zeigte auch Interesse. Ich wollte jedoch nicht, dass sie sich in der Rolle der zweiten Geige fühlt. Am Ende habe ich wiedermal nichts auf die Reihe bekommen. Typisch!
Danach quälte mich die Einsamkeit wahnsinnig. Versuchte mich ins Studium hineinzusteigern, dachte darin Ablenkung und Trost zu finden, doch das funktionierte nicht. Ich sah überhaupt keinen Sinn mehr im Leben, denn ich suche ja Wärme, Zuneigung, Liebe.
Anfang dieses Jahres lernte ich dann endlich eine tolle junge Frau kennen, die Interesse für mich zeigte. Wir kamen rasch zusammen. Sie hat mir sehr viel Selbstbewusstsein gegeben. Zum ersten Mal bin ich einer Frau etwas näher gekommen. Es war so schön sie zu küssen, zu streicheln, sie im Arm zu halten, ihre Wärme und ihr Interesse zu spüren. Ich hatte zwar starke Angst sie wieder zu verlieren, doch ich fing recht schnell an zu lernen, es lockerer zu sehen. Bestimmt stellte ich mich auch ein bisschen doof an. Sie hatte schon so einige Beziehungen. Doch sie beruhigte mich immer wieder. Es schien alles wunderbar.
Dann sagte sie mir plötzlich, dass sie keine Beziehung mehr mit mir möchte, nur Freundschaft. Es würde nicht an mir liegen. Sie habe einfach erkannt, dass ich nicht der Typ Mann sei, für den sie sich sonst so interessiert.
Dies kam mir sehr bekannt vor. Die übliche Abfertigung. Wollte wissen, woran es denn liegt. Da schrieb sie mir, es sei alles bloß “Projektion” gewesen.
Ich habe mich in diese junge Frau verliebt. Jetzt ist sie so kalt und will nur noch eine lockere Bekanntschaft. Sie meldet sich schon seit ein paar Wochen nicht mehr. Es zerreißt mein Herz. Ich schlafe schlecht und habe keinen Appetit. Fühle mich so lächerlich, als habe ich mir die ganze Zeit nur vorgemacht, bei einer so tollen Frau eine Chance zu haben. Fühle mich wieder hässlich und unattraktiv. Mein Selbstbewusstsein ist wieder im Keller.
Als “Jungfrau” mit 28 fühlt man sich heute schon als abnormal und heftigst unattraktiv. Weiß nicht, wo mein Fehler liegt. Wahrscheinlich bin ich den Frauen nicht “männlich” genug.
Bisher sagten mir wirklich alle Frauen, die ich danach fragte, dass es ganz bestimmt nicht an meinem Aussehen läge. Doch ich glaube ihnen nicht.
Ich halte es alleine kaum noch länger aus. Mein Leben scheint so völlig sinnlos.
Antwort von Therapeutin und Singlecoach Beatrice:
Wie kommst du bloß auf die Idee, unattraktiv zu sein??? Warum ist deine größte Angst, für eine Frau nicht attraktiv genug zu sein? Wer um Himmels willen hat dir irgendwann mal mitgegeben, dass das der Fall sein könnte??? Bitte denk drüber nach, ob es da ungute Erlebnisse in der Kindheit gab, und sag dir, dass diejenigen, die dir das mitgegeben haben, arme Komplexhaufen waren. Ich glaube nämlich, dass du ein anziehendes Äußeres hast. Sonst würden nicht so viele Frauen so positiv auf dich reagieren, dich in der Bahn anlächeln usw. Vor allem sind es deiner Beschreibung nach auch noch hübsche Frauen. Die sind ja wählerisch…!
Du schreibst:
“Später schien es mir, dass ich für die Mädchen nicht attraktiv sei. Dies hält mir mein innerer Kritiker auch heute ständig unter die Nase, sobald mein Selbstbewusstsein wiedermal im Keller ist”…
Ich kenne einen jungen Mann, der alles andere als hübsch ist. Er hat ein Pferdegesicht und eine Figur wie ein Handtuch. Trotzdem hat er bei den Frauen mächtig Erfolg. Er ist immer mein leuchtendes Beispiel (und nicht das einzige, aber das krasseste!), dass man, auch wenn man von der Natur optisch benachteiligt wurde, Erfolg beim anderen Geschlecht haben kann. Sein Geheimnis?
1) Er holt das Beste aus sich raus, achtet sehr auf sein Äußeres (Haare, Klamotten usw.),
2) er hat keine Angst, offen auf Leute zuzugehen,
3) er lässt sich nicht von irgendwelchen irrationalen Ängsten kontrollieren,
4) er hat einen super Humor und kann auch über sich selber lachen,
5) er ist irre charmant, einfach supernett zu Frauen; er gibt jeder das Gefühl, ein Superweib zu sein.
Bei dir ist evtl. Punkt 3 der wichtigste. Du hast geschrieben, du hättest eine “oft pessimistische Ausstrahlung”. Na, da hätten wir ja noch einen Grund, warum es mit dem anderen Geschlecht nicht klappt! Wer will schon mit jemand zusammen sein, der miesepetrig aussieht? Hör sofort auf mit dem Selbstmitleid und lerne, auch dich selber lockerer zu sehen.
Also bitte bitte vergiss das mit dem “Denn an meinen Äußerlichkeiten (z.B. Gesicht) kann ich eben nicht viel verbessern”. Bedarf möglicherweise dein Styling einer Überholung? Frag doch lieber mal darüber eine deiner weiblichen Kumpels aus.
Ich habe das Gefühl, dass deine Eltern dir viel Müll mitgegeben haben. Kann das sein?
Du schreibst z.B., dass du jahrelang keine Zeit für Mädchen hattest, weil du dich ständig umnter Druck gesetzt hast. Du scheinst dich ziemlich oft unter Druck zu setzen. Warum? Hast du ständig das Gefühl, deine Umwelt erwartet, dass du so und so bist und dies und jenes tust? Mach dich frei davon, denn deine Umwelt erwartet lang nicht so viel von dir, wie du denkst.
Sei dir immer bewusst und sag dir immer: “Ich bin niemandem etwas schuldig”. Auch deinen Eltern nicht. Gut, sie haben dich großgezogen, viel Geld und Zeit geopfert usw. – aber du hast nie drum gebeten, von ihnen in die Welt gesetzt zu werden, nicht? Letztendlich ist es das Wichtigste, dass du auf deine ganz eigene Fasson glücklich wirst (und letztendlich freut das auch die Eltern – zumindest wenn sie einigermaßen okay sind).
Bitte versuch, den alten Kindheitsmüll über Bord zu werfen, und lies dazu UNBEDINGT dieses enorm hilfreiche Buch:
• Das Kind in dir muss Heimat finden: Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme
So, jetzt zu den Frauen. Du schreibst:
“Danach quälte mich die Einsamkeit wahnsinnig. Versuchte mich ins Studium hineinzusteigern, dachte darin Ablenkung und Trost zu finden, doch das funktionierte nicht. Ich sah überhaupt keinen Sinn mehr im Leben, denn ich suche ja Wärme, Zuneigung, Liebe.”
Wenn ich das wörtlich nehme, siehst du den Sinn deines Lebens darin, Wärme, Zuneigung, Liebe von jemandem zu bekommen. In gewisser Weise erwartest du von deiner (potentiellen) Partnerin, dass sie dich “rettet”. Damit bürdest du ihr eine viel zu große Last auf. Möglicherweise spüren die Frauen, die dir näher kommen, das und schrecken zurück. Man muss ja auch mit sich selber glücklich sein können, um mit einem anderen Menschen eine ausgewogene Partnerschaft haben zu können. Das ist schwierig für dich, weil du schon so lang nach jemandem suchst. Bzw. eine ganze Weile hast du ja nicht gesucht, sondern dich vergraben.
Dass du dich so viele Jahre beziehungsmäßig selber boykottiert hast, hat ja sicher auch einen Grund. Meist lautet er: Ich habe Angst, einen Menschen nah an mich herankommen zu lassen und verletzt zu werden.
Ein Selbstschutz also (das betrifft auch deine “Jungfräulichkeit”, die von daher keineswegs “abnormal” ist). Es gibt keine Kurzanleitung, wie man das loswerden kann. Bewusstwerdung ist sicher ein Anfang. Und sich immer klar zu machen: wenn man etwas Gutes haben will, muss man Risiken eingehen. Liebe beinhaltet immer die Gefahr, verletzt zu werden. Du bist eben ein sehr sensibler Mensch, du nimmst vieles zu persönlich, dir geht vieles zu nahe. Da kann man schon was machen, aber eher nicht in Eigenregie.
Ich weiß nicht, was in deinem Beziehungsversuch schiefgelaufen ist. Ich denke nur, es ist falsch, dass du den Fehler nur bei dir suchst. Im Grunde ist es das Normalste der Welt, dass zwei Menschen zusammenkommen und einer stellt fest, dass es doch nicht das Wahre ist (oder beide). Es war halt Pech, dass das ausgerechnet dir bei deiner ersten vielversprechenden Geschichte passiert ist.
Vielleicht hat sie auch gespürt, dass dein ganzes Seelenheil von ihr abhing. Auch sowas will man sich nicht unbedingt ans Bein binden. Kaum jemand will einen Partner, der seelisch von einem abhängt.
Bitte schau dazu mein Youtube-Video «Wenn jemand sagt, „du bist zu nett“ – was ist damit gemeint?»
(ich häng es dir unten an!).
Du schreibst:
“Fühle mich so lächerlich. So als habe ich mir die ganze Zeit nur vorgemacht, bei einer so tollen Frau eine Chance zu haben. Fühle mich wieder hässlich und unattraktiv”.
An deinem Äußeren lag´s sicher nicht, denn das hat sie ja von Anfang an gesehen. Du hast dir auch nicht nur was vorgemacht. Du hattest eine Chance bei ihr. Dann hat sie sich´s halt anders überlegt. Das ist menschlich. Vielleicht hat sie Beziehungsangst oder ein anderes Problem, was mit dir gar nichts zu tun hat. Dass eine “Freundschaft” zur Zeit nicht funktioniert, ist auch klar, denn sie spürt ja, dass du mehr willst als nur befreundet sein. Das setzt sie unter Druck.
Ich weiß, es ist leichter gesagt als getan, aber ich rate dir: Nimm dir vor, eine Zeitlang mit der verzweifelten Suche und dem Hadern mit der Einsamkeit aufzuhören, nutze die partnerlose Zeit dazu,
erstens mit deinen Verletzungen, Konditionierungen und Ängsten aus der Kindheit aufzuräumen (mit Hilfe eines Coachings und des o.g. Buches),
zweitens, dein Leben so zu gestalten, dass es dich glücklicher macht. Befreie dich von allem, was dich runterzieht und unglücklich macht, vor allem von solchen Leuten, selbst wenn´s Angehörige sind. Was ist mit deinem Studium? Ist das das Richtige? Oder würdest du lieber was ganz anderes machen? Ja? Dann pack´s an.
Den Sinn des Lebens muss man in sich selber suchen und nicht in jemand anderem.
Liebe Grüße
Beatrice Poschenrieder