Ist er beziehungsunfähig oder ist er einfach nicht verliebt in mich?

Oft ist es verdammt schwer zu unterscheiden, ob jemand nicht auf einen steht (zu wenig empfindet) oder ob er ein echtes Bindungsproblem hat


Mädchen, erkenne es doch: er ist nicht verliebt, steht nicht auf dich!

Diese Frage stellen Frauen noch viel öfter als Männer, daher geht es jetzt um männliche Bindungsprobleme – wobei du das folgende auch auf Frauen übertragen kannst. Übrigens, den Begriff „Beziehungsunfähigkeit“ finde ich ein bisschen gemein, daher lieber „Bindungsangst“ oder „Bindungs- und Näheproblem“.
Das wird einem Mann schnell mal von der einen oder anderen Frau unterstellt, nur weil er sich vage verhält, sich nicht so ganz einlässt. Aber vielleicht ist er auch einfach unsicher, ob es mit ihr für eine feste Bindung passt, oder vielleicht braucht er (wie sehr viele Männer) länger, um sich darauf festzulegen?
Die Krux ist ja unter anderem, dass Männer und Frauen diesbezüglich im Allgemeinen nicht die selben Vorgehensweisen haben: Die anfängliche Euphorie des einzelnen Mannes und die vielen Dinge, die er tut, um eine Frau zu erobern, werden von deren Seite oft damit verwechselt, dass er zur Paarbeziehung entschlossen sei oder man sich bereits darin befände. Oder vielleicht hat sie Eigenschaften, die dem Mann die Verliebtheitsgefühle abgestellt haben? Vielleicht bleibt er noch dran, weil er vieles an ihr mag, aber anderes wiederum eben nicht… Allerdings ist es so, dass ein bindungsfähiger, verantwortungsbewusster Mann spätestens nach ein paar Monaten die Geschichte beendet, wenn er merkt, dass die Frau sich etwas Festes erhofft und er das nicht erfüllen kann.
Hingegen viele Männer (und übrigens auch Frauen) mit Bindungsproblem wollen ja „Beziehung light“, was unter Umständen bedeuten kann, dass man die Frau hält, obwohl man sie nicht ganz als die Richtige erachtet, und viele Abstandhalter dazwischenfügt. Dann „hat“ man jemanden, aber eben nicht so nah und nicht so viel.
Abstandhalter sind zum Beispiel, seine Hobbies exzessiv zu betreiben oder seine Freizeit mit allen möglichen Dingen vollzustopfen, die keine Zweisamkeit erlauben; oder der Fokus ist viel zu stark auf dem Beruf und/oder dem, was man alles tun muss… Obacht, wenn der Ihre fast von Anfang an dazu neigte! Denn eigentlich kriegen auch Menschen, die viel zu tun haben, eine Paarbeziehung hin, wenn sie denn wirklich wollen und beziehungsfähig sind.

Aus Sicht des Mannes ist es noch schwerer zu unterscheiden: Hat er ein Bindungsproblem oder passt es eben nicht so gut? Vorhin las ich im Internet unter einem Artikel zu dem Thema den Kommentar eines Mannes: „Der beschriebene Typus ist nicht beziehungsunfähig, sondern einfach nur beziehungsunwillig.“
Aber kommt das letztlich nicht auf fast das Gleiche raus, vor allem wenn jemand in Sachen Liebe immer wieder an seinen Widerständen scheitert?

Grob gesagt lässt sich ein Bindungsproblem so charakterisieren: Man besitzt nicht den Willen oder die Fähigkeiten, eine dauerhafte Liebesbeziehung aufrechtzuerhalten (oder beides), selbst wenn es mit dem Partner eigentlich gut passt – mit Betonung auf Liebesbeziehung! Denn manche Menschen mit Näheangst haben durchaus eine lange Partnerschaft, aber eben keine Liebesbeziehung.
Eine Bindung anzuschieben oder erst mal einzugehen, ist für viele Betroffene nicht so schwierig, weil sie sich ja auch nach Liebe oder Geliebtwerden sehnen. Schwierig wird es dann, wenn es darum geht, einige Dinge in seinem Leben umzustellen, wie: der Frau mehr und regelmäßig Zeit einzuräumen und sich auch in anderer Hinsicht auf sie einzustellen (etwa auf gemeinsame Freizeitaktivitäten, auf unterschiedliche Essens- und Zubettgeh-Zeiten, auf viel Nähe). Das ist bereits für einen beziehungsfähigen Mann nicht einfach, aber bei einem Bindungsängstler können sich da starke innere Widerstände einstellen. Sein heimliches Motto ist: „Ich möchte, dass sie für mich da ist, wenn ich sie brauche, aber die meiste Zeit will ich mein Ding machen und sie soll mir meine Ruhe lassen und das gut heißen, was ich tue.“
Sprich: Die Frau soll wie eine liebende Mutter immer irgendwo im Hintergrund „da sein“, aber sie darf weder Erwartungen haben noch etwas bemängeln.
Also lässt er sich häufig auf Frauen ein, die nur teilweise zu haben sind (etwa gebundene oder weit weg wohnende) oder bei denen der Abstand vorgegeben ist (etwa weil die Frau eine Störung hat, die immer wieder Rückzug mit sich bringt, wie Depression, Borderline-Syndrom, Missbrauchserfahrung). Hier hat er es leicht, Leidenschaft zu entwickeln oder sogar zu meinen, es könnte die „große Liebe“ sein, denn er hat sie ja nie ganz, es besteht sogar die Gefahr, sie zu verlieren. Und er stellt sich durchaus vor, zum Beispiel mit seiner verheirateten Geliebten zusammenzuleben, aber diese Vorstellung entspringt nur dem Drang, dass sie endlich ganz für ihn da ist.

Mit Näheangst ist es ganz ähnlich: dass man nicht den Willen und/oder nicht die Fähigkeiten besitzt, häufige und dauerhafte Nähe auszuhalten bzw. hinzukriegen.
Bindungsangst und Näheangst gehen sehr oft Hand in Hand, sind aber nicht ganz das Gleiche.
Jemand mit einem Näheproblem kann durchaus eine längere und auch recht glückliche Bindung zustandekriegen, zum Beispiel weil er eine Frau findet, die ihrerseits ein Näheproblem hat; beide wollen eine Bindung, aber nicht so viel Nähe. Kommt es dazu, dass die beiden zusammenziehen, etwa durch gemeinsame Kinder, leben sie überwiegend nebeneinander her, statt ein lebendiges Miteinander zu gestalten; auch der Sex – falls er noch stattfindet – ist meist nicht durch tiefe innere Nähe gekennzeichnet.
Im nächsten Beitrag erfährst du, anhand welcher Kriterien du ein Bindungs-/Näheproblem feststellen kannst!
© Beatrice Poschenrieder

„Mr.

 

Eine anschauliche Schilderung eines Mannes mit Bindungs- und Näheproblemen findest du in meinem Buch «Mister Aussichtslos: 12 Männertypen, die Sie sich sparen können»

Meine YouTube-Videos zum Buch: https://youtu.be/okvch201Ojs
und
https://youtu.be/cjSKeCDWNiQ

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