Deine Initiativmail (die erste Nachricht, die du an jemand sendest) kann entscheidend sein, ob du beim Online-Dating überhaupt wen kennenlernst
Angenommen, du willst in deiner Partnerbörse jemanden anschreiben, um auf dich aufmerksam zu machen. Ich zeige dir anhand eines Beispiels, das ich auf einem als sehr seriös geltenden Bezahl-Singleportal bekam, was man NICHT in eine Erstkontakt-Mail reinschreiben sollte.
Zuerst einmal zu dem Mann (nennen wir ihn Helmut): Laut Eigenangabe ist er 57 (den Bildern nach könnte er auch 63 sein), übergewichtig, sein schütteres Haar hat er über die Glatze drapiert, sein etwas hängendes Gesicht trägt eine selbstzufriedene Miene. Bei „Beruf“ hat er „Schriftsteller“ eingefüllt. Wie sich herausstellen wird, wäre er nur gern einer. Ich rate dir, geneigte/r Lese/r: Schreib lieber gar keinen Beruf hin als einen falschen, denn das kommt eh raus und es macht dich zum Hochstapler.
In seiner Mail nennt er mir als erstes seinen vollen Namen, Telefonnummer und eigene Emailadresse.
Großer Fehler! Jemandem, den man kein bisschen kennt, sofort seine privaten Daten zu senden, ist unklug und wirkt sehr verzweifelt.
Nun seine Nachricht an mich:
«Guten Tag, liebe Löwe-Frau, als “Doppel-Löwe” (Löwe/Aszendent Löwe) finde ich Ihr Sternzeichen gut.»
Nicht jede Frau fährt auf diesen Sternzeichen-Kram ab – ich zum Beispiel hasse es, in eine von 12 Schubladen gesteckt zu werden. Bevor du sowas schreibst, solltest du dir sicher sein, dass dein Gegenüber auf Astrologie steht.
Er fährt fort:
«Gerade entdecke ich Ihr Profil. Ich bin in … geboren, habe aber bereits 25 Jahre in Hamburg gewohnt.»
Keine Ahnung, warum er denkt, dass mich das interessieren sollte, denn ich lebe in Berlin.
Und es geht noch weiter:
«Im Norden Deutschlands wohnen meine besten Freunde: ein Arzt, den ich seit 30 Jahren kenne, und eine Ärztin, die seit 20 Jahren ein Teil meines Lebens ist. Ich war zehn Jahre mit einer seelenverwandten Ärztin für Psychiatrie verheiratet.»
Auch hier hab ich nicht den blassesten Schimmer, warum er so penetrant erwähnt, dass er sich gern mit Ärzten umgibt. Falls er meint, dass ihm das Vertrauenswürdigkeit verleiht, täuscht er sich. Abgesehen davon, sind das Infos, die fremde Menschen nicht interessieren und auch nichts angehen.
Helmut liefert aber noch mehr solche Enthüllungen:
«Leider kam es 2005 in Brasilien zu einem Mückenstich, der einen unbekannten Virus übertrug.»
Häh??? Hier werde ich spaßeshalber mal nachhaken.
Nun wechselt er abrupt das Thema. Auch dies wirkt sehr merkwürdig, wie auch der Inhalt:
«Erfahrene Hellseher sind seit 20 Jahren eine gute Informationsquelle für mich. Sie sagten mir Ende 2018, daß mein Buch 2020 fertig und ein Welterfolg wird. Alle augenblicklichen echten und vermeintlichen Schwierigkeiten lassen sich elegant wegfegen.»
Erstens verrät er hier durch die Blume, dass er derzeit in punkto Erfolg einige Probleme hat, zweitens, dass er sich bei der Beurteilung des Erfolges seines Buchs nicht auf seine eigenen Kenntnisse verlässt und die von Fachleuten, sondern auf Hellseher.
Aber es wird noch besser; Helmut fährt fort:
«Ich inspiriere und bereichere alle, die offen für Wunder sind. Ich trage viele Geheimnisse in mir und gewinne rasch das Vertrauen der Menschen. ((Anmerkung von mir: Meins jedenfalls nicht.)) Seit dem 20. Lebensjahr vergrößere ich meine Lebensweisheit – sie wird allgemein bei mir als meine allergrößte Stärke anerkannt. Seit Jahrzehnten verjünge ich mich durch geistige Techniken; ich bin im Herzen jung geblieben und meine Stimme wurde bereits 10 Jahre jünger.»
Habe ich oben über das „elegante Wegfegen“ seiner Probleme schon gelacht, bricht jetzt ein lautes Gelächter aus mir heraus; aber wie ihr euch denken könnt, nicht ein Gelächter, das mich zu Helmut hinzieht, sondern eins, das den Kopf schüttelt, wie jemand so weltfremd und gleichzeitig so überzeugt von sich selbst sein kann.
Mein Nachhaken bezüglich des Mückenstichs und bezüglich seines Buches ergab, dass seine Frau offenbar an dem übertragenen Virus starb (falls es wahr ist, ist es tragisch, gehört aber niemals in so eine Mail!) und dass sein Buch von emotionaler Intelligenz handeln soll, wobei ich mich frage, was zum Teufel ihn auf die Idee bringt, dass er davon Ahnung hätte.
2) Sympathie und Anziehung erweckst du nicht, indem du dich selber bauchpinselst, sondern indem du dich für andere interessierst.
© Beatrice Poschenrieder