Du hast jemand kennen gelernt und stellst immer mehr fest, dass bei ihm/ ihr echt viel im Argen liegt. Auf Änderungen hoffen oder gehen?
Die folgende Geschichte ist komplett wahr 🙁
Vorgestern erreichte mich der Hilferuf meiner Freundin T., die seit zweieinhalb Monaten einen Mann datet, den sie über ihre Singlebörse kennengelernt hat. Sie lebt mitten in Stuttgart, er in einer etwas verlassenen Gegend außerhalb der Stadt.
Die zweieinhalb Monate beziehen sich auf die Zeit vom ersten Date bis heute. Denn in der Zeit davor hatte er sich als recht zögerlich und geheimniskrämerisch gezeigt, wollte z.B. nicht verraten, in welcher Richtung er wohnt, seine Handynummer nicht herausrücken, sondern sie „erst mal treffen“. Sie sagte ihm ganz klar: Ohne Handynummer kein Treffen.
Über die Nummer, die er ihr dann gab, wurde auch nicht telefoniert: wollte er nicht. Sondern sie musste ihm ganz altmodisch SMSen senden, denn Whatsapp benutzte er angeblich nicht (später stellte sich heraus, dass er ihr nur die Nummer von seinem Zweithandy gegeben hatte – er war ein bisschen paranoid).
Nichtsdestotrotz blieb T. dran, weil sie sein Gesicht mochte und ihn irgendwie interessant fand.
Die ersten Dates verliefen auch sehr nett, obschon er augenscheinlich wenig auf sein äußeres Erscheinungsbild (Kleidung, Haare, Zähne) achtete und dazu neigte, sich zu verspäten, sie nie einlud und zwischen den Dates so gut wie nichts von sich hören / lesen ließ.
Nach dem vierten Date zog er sich plötzlich radikal zurück. T. bohrte so lange nach dem Grund, bis er andeutete, dass er zu einer festen Beziehung nicht bereit sei, weder zu ihr noch zu einer anderen Frau, weil in seinem Leben „einiges im Umbruch“ sei. T. schlug daraufhin „Freundschaft plus“ vor, er ließ sich darauf ein. Also fingen sie etwas miteinander an und es ging auch ganz gut los, abgesehen von… Harhar, jetzt kommt´s:
Obwohl der Mann über 50 ist, scheint bei ihm vieles im Argen zu liegen. Unter anderem hat er extrem ungepflegte Zähne, lauter graue Mini-Stumpen (wie kriegt man sowas hin, dass die allesamt so klein und dunkelgrau werden??), die womöglich dazu führen, dass er desöfteren Mundgeruch hat. Den konnte T. aber die meiste Zeit gar nicht so genau wahrnehmen, weil er überdeckt wurde von sehr starkem Konsum rohen Knoblauchs oder roher Zwiebeln (er meinte, er müsse das täglich für seine Gesundheit tun, oft bereits zum Frühstück). Seit T. sich bei mehreren Dates weigerte, ihn zu küssen, lässt er zwar vor den Treffen die Zwiebeln und den Knoblauch weg, aber nun kommt eben der „normale“ Mundgeruch zum Vorschein.
Er ist Freiberufler, kommt aber nicht so recht zu Potte, weil er den halben Tag mit Fernsehen im Bett verbringt (morgens bis in den Vormittag, abends schon ab 8) und den restlichen Tag mit Kramen verbringt. Neben seinem eigentlichen Beruf her kauft und sammelt er nämlich Trödel und vertickert es im Internet (läuft derzeit nicht so dolle, aber vielleicht ist ja mal der große Wurf dabei!). Daher kann er nur das Schlafzimmer nutzen. Er hat zwar ein Häuschen mit 3 oder 4 Zimmern, einem Keller, einem Dachboden und einem großen Schuppen im Garten, aber bis auf sein Schlafzimmer ist alles voller Kram. Daher hat er sich über dem Bett einen großen, großen Fernseher montiert (Wohnzimmer und Schlafzimmer in einem! Toll!). Und daher trug er bei den ersten sechs Dates immer den gleichen alten ausgeleierten Pullover („die anderen Pullover sind alle auf dem Dachboden und da komm ich nicht so einfach ran!“), bis sie ihn darauf hinwies. Ab da trug er aber nicht einen der Pullover, die er etwa vom Dachboden geholt hatte, nein, er trug alte Sachen von seinem Vater auf.
T. vermutete, dass er Vaters Zeug woanders hortete, um es zu vertickern („hier dieser Filzjanker ist doch noch gut!“ hatte er ihr gesagt), und daher leichter drankam.
«Diese graue Filzjacke, furchtbar!», seufzte T., «er hat ja schon ne ziemliche Wampe, weil er abends zum Fernsehen immer eine ganze Tüte Chips mampft, aber in der Jacke sieht er aus wie eine Tonne! Der Bauch stört ihn selber sehr, denn er hätte eigentlich ne Spitzen Figur, aber Fernsehen statt Sport und dazu Chips, tja.»
«OH. MEIN. GOTT!» stöhnte ich, «was für einen Fisch hast du dir da bloß geangelt!»
«Warte», sagte sie, «da kommt noch mehr.»
Wegen der Wohnsituation lud er sie nie zu sich ein, sondern kam, als sie ihre Freundschaft-PLUS umsetzten, immer zu ihr. Das hatte den Nachteil, dass sie sich jedesmal über seine Unpünktlichkeit ärgern musste. Das viele Fernglotzen bis in den Vormittag hatte nämlich auch zur Folge, dass er mit seiner Zeitplanung nicht zurande kam und sich bei den Verabredungen mit T. grundsätzlich verspätete. Waren es bei den ersten Dates noch 15 – 25 Minuten gewesen, wurde nun teils über eine Stunde draus. T. kochte innerlich, teilte ihm aber beherrscht mit, dass sie ihn bei der nächsten derartigen Verspätung draußen vor der Tür stehen lassen würde oder er gar nicht erst zu kommen brauche. Und überhaupt, er werde verköstigt mit Essen und Wein, bringe aber nie was mit, was er sich dabei denke? (Ja, richtig gelesen, er ließ sich bewirten, ohne was beizusteuern.)
Das half zwar, zog aber eine andere Folge nach sich: Er fing an, auf ihr herumzuhacken. Vielleicht als eine Art Ausgleich, um selber nicht wie der letzte Waldschrat dazustehen?
Ich fragte T, was er denn so bekrittelte.
«Bei jedem Besuch fand er mindestens zwei Anlässe, meistens eher drei. Der Reis war zu salzig, die eine Hose „macht keinen schönen Arsch“, unterm Sofa fand er Wollmäuse; als er im Bett das verpackte Kondom sah, das er bei seinem letzten Besuch NICHT benutzen wollte, unterstellte er mir, ich hätte in der Zwischenzeit Männerbesuch gehabt. Und und und.»
«Liebes», sagte ich, «warum zum Teufel verschwendest du dich an so einen Typen?»
«Najaaaa…. Ich mag ihn sehr, er kann auch total nett, süß und witzig sein. Außerdem sehe ich so viel Potenzial in ihm! Er könnte ein richtig schöner Mann sein, wenn er sich besser um sich kümmern würde, sich mehr bewegen, abnehmen, zum Friseur gehen, seine Zähne richten lassen, nicht so olle Klamotten tragen… Er könnte beruflich auch ganz viel bewegen, er ist eigentlich echt intelligent.»
Jedenfalls dachte T. anfangs noch mit Elan, dass sie ihn Stück für Stück dazu animieren könnte, mehr auf sich und sein Leben zu achten, aber… diese Herausforderung ist möglicherweise ZU groß! Wo soll sie da anfangen? Und vor allem: Sie würde ja zig Sachen an ihm bemängeln müssen bzw. ihn dazu anhalten müssen, dies und jenes zu ändern – dabei sollte frau ja vor allem bei einem neuen Mann GAR nichts bemängeln! und bei den zwei drei kleinen Macken, die ein „normaler“ Mann so hat, sollte frau ja erst mal mit Geduld, Diplomatie und Samthandschuhen darauf hoffen, dass er sozusagen von selbst darauf käme.
Wir befanden: Wenn einer so drauf ist wie T´s Neuer, kommt er selten von selber drauf, und mit über 50, oh je…
Da fragt man sich, hatte der nie eine Partnerin, die ihn dazu anhielt, erwachsen zu werden??
Männer im Allgemeinen sind schon nicht besonders erpicht auf die Veränderungsprogramme der Frauen. Eigenbrödler schon gar nicht – und darum wenig kooperativ.
Die große Frage, die sich uns Frauen in so einer Situation stellt, ist: Macht es überhaupt Sinn, an einem Kerl dranzubleiben, der so eine Riesen Baustelle ist?
Die Antwort lautet: Es kommt drauf an…
…wie alt er ist: Je älter, desto weniger.
…ob er wirklich in dich verliebt ist: Je weniger, desto mehr kannst du´s knicken.
…ob das Körperliche und der Sex mit ihm gut sind: Wenn nein oder „solala“: Lass ihn ziehen.
…ob er, abgesehen von seinen „Eigenheiten“, ein netter Mensch ist, der auch nett und liebevoll mit dir umgeht. Wenn ja: Darauf kann man aufbauen. Wenn nein: Tu dir das nicht mehr an.
Das Fazit für T´s Kerl: Es kam uns vor, als ob er nie gelernt hätte, wie man sich auf Menschen und auf eine Bindung einstellt. Er achtet ja nicht mal auf sich selber, hat also keine gute Beziehung zu sich selbst, wie sollte er da eine gute Beziehung zu jemand anderem haben?
Den Sex mit ihm fand T. auch «nur so mittel». Und dann diese Krittelei und die Unterstellungen…
Nö. Nö nö nö!
Das bringt´s doch nicht. Wenn du dich über einen Kerl zu oft ärgerst, wenn das Ganze dich mehr runterzieht als dass du dich freust und es dein Leben bereichert: Trenn dich, um frei zu sein für einen Mann, der es dir leicht macht, ihn zu lieben.
Liebe Leser: Wenn jemand von euch für mich eine Dating-Geschichte über eine Frau hat, die eine Riesen Baustelle ist / war, dann bitte Bescheid sagen!
© Beatrice Poschenrieder