Ist es heute gang und gäbe, Bekannten und Unbekannten Fotos von seinen Geschlechtsorganen zu senden? Bei vielen wohl schon.
Im ersten Teil dieser Serie hatte ich ja schon erzählt, wie mir beim Online-Dating mein allererstes Penisbild zugeschickt wurde – völlig unerwartet und alles andere als erwünscht. Das nächste ungefragte Pimmelfoto bekam ich ein Jahr später von einem Mann, mit dem ich einen Beziehungsversuch hatte. Ich fragte mich: Machen das Männer heutzutage so? Also ich kenn das nicht aus meiner bisherigen Beziehungsvergangenheit. Na klar gibt es Leute, die dem Partner mal Nacktfotos von sich senden, aber ich dachte immer, das wäre eine Minderheit. Ich hab´s nie gemacht oder erlebt, denn die Lust in meinen Partnerschaften war auch so da, und wenn ich Geschlechtsteile sehen oder zeigen wollte, geschah das live. Ich weiß es immer noch nicht, ob es heutzutage allgemein verbreitet ist, Partnern oder potenziellen Bettgefährten Abbildungen seiner Intimen Zonen zu senden, ich vermute bloß, dass es beim o.g. Beziehungsversuch-Mann gang und gäbe war – und zwar seit mir eine Bekannte steckte, dass sie ihn auf einer Sexkontakte-Seite entdeckt hatte.
Der Beziehungsversuch war damit beendet, aber es dauerte nicht lange, da erhielt ich das nächste Penisbild: Von einem Mann, mit dem ich nur ein einziges Date gehabt hatte. Ich fand ihn sympathisch und attraktiv und er mich anscheinend auch, aber er kniff vor jedem weiteren Versuch sich zu verabreden, und dann Wochen später – ich hatte ihn schon ad acta gelegt – bekam ich mitten in der Nacht über WhatsApp kommentarlos ein Foto von ihm: Er hatte sich aus der Dusche heraus in seinem großen Badezimmerspiegel geknipst, Kopf und Hals abgeschnitten, der Torso blass und speckig, stand er breitbeinig da und streckte seinen erigierten Schwengel heraus.
Ich fand es weder anziehend noch antörnend; obwohl ich natürlich nichts gegen nackte Männerkörper habe, bewirkte diese Aktion ähnliche Empfindungen wie die zwei, drei Exhibitionisten, die ich in meinem Leben gesehen hatte. Nicht von ungefähr macht man sich durch Exhibitionismus strafbar: Es ist eine krasse Grenzübertretung. Es löst Erschrecken und so etwas wie Ekel aus, also eine starke Abwehrreaktion, die aus einem Gefühl der Bedrohung herrührt.
Ich reagierte erst mal gar nicht auf das Foto und schrieb ihm am nächsten Tag: „Warum hast du mir das geschickt?“
Er: „Es tut mir leid!“
Ich: „Kannst du mir sagen, warum?“
Er: „Naja, wir wollten uns doch nochmal treffen.“
Ich: „Und du dachtest, wenn du mir ein Bild von deinem Sch… sendest, gibt´s für mich kein Halten mehr?“
Er: „Äh… Sorry, ich war betrunken.“
Sehr schade – mit der Aktion war dieser nette Mann für mich gestorben. Verdammt, warum machen Männer so einen Mist? Liegt es an der allgegenwärtigen und jederzeit verfügbaren Internetpornografie, dass manche denken, sowas wäre normal und hilfreich? Oder hätten sie es auch vor 20 Jahren gemacht, wenn es da bereits WhatsApp gegeben hätte? Weil Männer nun mal vor allem über das Sehen sexuell stimuliert werden? Und einige es noch nicht gecheckt haben, dass das nicht eins zu eins auf Frauen übertragbar ist?
Kann sein, dass manche Damen in reifem Alter da wie Kerle reagieren, weil das Versiegen weiblicher Hormone den männlichen die Oberhand verschaffen kann. Aber die meisten Frauen, obschon nicht unempfänglich für den Anblick eines Männerkörpers, ticken da subtiler.
Selbst das Foto eines durchtrainierten Oberkörpers nebst ausgeprägtem Waschbrettbauch, gesendet von einem anderen Typen, der mit mir ein Date haben wollte, löste bei mir keine wohligen Schauer aus, sondern eher Abschreckung: Igitt, Perfektionswahn! Was soll ich denn mit einem Typen, der den Großteil seiner Freizeit im Fitnessstudio verbringt?
Wohlgeformte Unterarme, gepflegte Hände, schöne Zähne, leuchtende Augen und eine gute Figur regen viel stärker meinen Appetit an als das plumpe Aufdrängen von Nacktheit, und ich weiß, dass das sehr viele Frauen ähnlich sehen.
Als ich einige Monate später zum vierten Mal von einem Kerl unaufgefordert die Aussicht auf seine Nacktheit zugesandt bekam (bevor wir ein Date hatten), kam mir die Idee zum Penisbild-Experiment… Mehr dazu im nächsten Beitrag!
© Beatrice Poschenrieder