Schräge Dates: Der Aggro-Spinner

Ist die Wahrscheinlichkeit, mit einem älteren Mann ein schlechtes Date zu haben, geringer als mit einem jüngeren? Leider nein, eher noch höher…


Sind Musiker, zum Beispiel Trompeter, bessere Menschen? Nicht immer.

Nach dem Reinfall mit dem deutlich jüngeren G. (37) – siehe letzter Blogbeitrag – dachte ich: Vielleicht lieber mal ein deutlich älterer.
Gleichzeitig hatte ich eine interessante Konversation mit einem hübschen 34jährigen in der Dating-Plattform OkCupid. Ich fragte ihn, wieso viele Männer sich am Anfang sehr interessiert und verliebt benehmen und sich dann nach ein- bis dreimal Sex verflüchtigen, auch wenn sie dort augenscheinlich Spaß hatten.
Er: „Weil wir in der Großstadt sind und das nächste Abenteuer gleich um die Ecke ist.“
Ich: „Glaubst du, dass attraktive interessante Männer sich überhaupt noch auf eine einzelne Frau einlassen können, auch für länger?“
Er: „Schwierige Frage… Im Kern sind viele einfach einsam und das Geficke streichelt nur kurz das Ego.“
Ich: „…aber die Angst, dann in ner Beziehung mit der Frau gefangen und unfrei zu sein, ist größer als die Angst vor Einsamkeit?“
Er: „Ja, denke schon, so im Durchschnitt. Aber wenn bei vielen der Fickdruck im Alter nachlässt, ändert sich das.“
Ich: „Dass sie dann die Angst, in ner Beziehung gefangen zu sein, überwinden?“
Er: „Schätze mal, ja.“
Na gut, folgerte ich, dann versuch ich´s mit dem 57jährigen, der mich tags zuvor so charmant angeschrieben hatte. Auf den meisten seiner Fotos sah er noch gut erhalten aus. Und ein interessanter Mann, Musiker, wie ich in unserem netten Emailaustausch erfuhr.
Wir trafen uns an einem warmen Frühlingstag an einem Straßencafé. Ich fand J. auch live für sein Alter recht attraktiv und freute mich. Gleichwohl war etwas Hartes in seinen Augen oder seiner Mimik, selbst wenn er lächelte.
Unsere Unterhaltung floß erst mal gut dahin. J. erzählte, dass er im Gegensatz zu den meisten Musikern in Berlin finanziell ganz gut über die Runden käme, weil seine Band gut gebucht sei und weil er sich auf mehrsprachigen Musikunterricht für Kinder spezialisiert habe. Zur Untermalung öffnete er seine Tasche, die genauer gesagt ein alter Schulranzen war (ich hatte mich schon gefragt, wozu er das Ding dabei hatte), griff hinein und ließ ganz langsam den halben Kopf eines abgewrackten Teddybärs herauslugen; von unten in der Tasche drehte er dessen Kopf hin und her, so als ob der Kleine sich erst mal vorsichtig umsehen würde. So weit war das ja noch halbwegs putzig (wobei ich so eine Nummer eigentlich keinem erwachsenen Mann empfehlen würde, der ein Date mit einer erwachsenen Frau hat, schon gar nicht das erste Date), aber dann holte er mehr von Teddy heraus und ließ ihn mit verstellter Stimme mich anreden, so ungefähr: „Hellou, I am Teddy, what is your name? What are you doing here?“
Jessas, dachte ich, findet er das lustig? Er bringt mich damit in Zugzwang. Ich hatte aber weder Lust, darüber zu lachen (ich fand es irritierend) noch Lust, mich zu verstellen, als sei ich eine 4jährige, die sich gern mit Teddys unterhält, und wandte mich direkt an J. statt an das Stofftier, um ihm Fragen über seine Arbeit zu stellen. Er ließ es wieder im Schulranzen verschwinden und erzählte, das Unterrichten bringe nicht so viel ein, doch er habe unheimlich Glück mit seiner Wohnung, wundervollen drei Zimmern auf 84 qm mit einem tollen eigenen Garten dran, und das mitten im Szenekiez, für die er nur wenig Miete zahle (ganz alter Mietvertrag), aber sie manchmal für ein Schweinegeld an Touristen vermiete.
Er habe Obstbäume im Garten gepflanzt, und damit im Spätsommer Früchte aus den Blüten würden, müsse er selbst das Bestäuben übernehmen, erzählte er, weil es da mitten in der Stadt kaum Bienen gäbe. Er pieke mit einer Nadel in die Blüten – was er mir dann gleich vormachte… Fortsetzung im nächsten Beitrag!
© Beatrice Poschenrieder

Beatrice Poschenrieder, Cover Buch Mister Aussichtslos
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