Warum lassen so viele Leute beim Sex mit neuen Partnern das Kondom weg? „Ich hab ja nix“, „Wird schon nichts passieren“?
Vor ein paar Tagen hat mich eine Leserin angeschrieben – „Wie kann ich als Single sicher verhüten?“ – und berichtet: Keiner der drei Männer, mit denen sie, seit sie single ist, Sex hatte, hat von selbst das Thema Kondom angesprochen, geschweige denn eins hervorgeholt und übergezogen, zwei davon haben nicht mal gefragt, ob sie anderweitig verhütet, und einer weigerte sich, das Verhüterli überzuziehen, das die Frau ihm anbot.
Das heißt, dass aller Wahrscheinlichkeit nach alle drei Männer ohne Kondom verkehrt hätten und zumindest die Übertragung von Krankheiten wie HIV, Herpes, Chlamydien riskiert hätten – und zwei Drittel zusätzlich noch, die Frau zu schwängern.
Eigentlich ist das nicht nur mega-blöd, sondern auch erschreckend verantwortungslos, oder? Schlimmerweise ist das aber so verbreitet, dass viele es als „normal“ empfinden. Und leider ähnelt die kleine Statistik dieser Leserin auch meiner eigenen, größeren Statistik (die natürlich keine streng wissenschaftliche ist, sondern auf Zahlen von Freundinnen, Klientinnen und aus meinen eigenen Erfahrungen beruht). Die folgenden Schätzungen beziehen sich auf die ersten ein bis drei Male Sex…
Nur einer von 2 – 3 Männern spricht vor der Penetration von selbst das Thema Verhütung an, und wenn die Frau sagt, sie nehme die Pille, trage die Spirale o.ä., erwähnen die meisten auch nicht den Einsatz eines Kondoms. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Hälfte bis zwei Drittel der Männer einfach ihren Penis in die Frau stecken, wenn selbige sie lässt, ohne sich Gedanken über Schwangerschaft oder Krankheiten zu machen. Viele denken auch heute noch, „die Frau wird schon verhüten/ wird schon wissen, was sie tut“. Und manche Männer vögeln erst mal und schalten erst dann den Kopf an und fragen, wie´s eigentlich mit der Verhütung steht.
Nur ungefähr einer von 4 Singlemännern hat zuhause Kondome auf Vorrat (wobei etliche davon nicht unbedingt freiwillig danach greifen oder es ansprechen, wenn sie eine Frau in ihrem Bett liegen haben).
Nur ca. einer von 6 Männern spricht von selbst die Benutzung eines Verhüterlis an; ein Teil davon lässt sich schnell von der Frau zum Weglassen desselben überreden. Sich bei einer neuen Partnerin wirklich für Kondomnutzung einsetzen, das macht nur einer von 10 (aber nicht alle diese Männer haben auch immer eins zur Hand).
Nur ungefähr einer von 16 Männern hat praktisch immer Kondome dabei und zuhause und zieht es mit größter Selbstverständlichkeit und Geschicklichkeit über, BEVOR er loslegt. Die Männer dieser winzig kleinen Gruppe würden auch nie unbehütet in eine Frau eindringen, von der sie nicht genau wissen, dass sie erstens keine übertragbaren Krankheiten hat und zweitens sehr sicher vor Schwangerschaften geschützt ist; und die meisten dieser kleinen Gruppe sind sich auch sehr sicher, selbst keine Erreger sexueller Erkrankungen an sich zu tragen. Nur einer von 10 beziehungsweise 16, das sind magere 6 bis 10 Prozent, geht wirklich verantwortungsvoll mit der ganzen Thematik um.
Tja Leute, so traurig schaut´s aus.
Entschuldigung Männer: Ihr seid da noch schlimmer als die Frauen! Klar, ich versteh das, ihr seid ja noch mehr die „Leidtragenden“, wo mann doch KAUM NOCH WAS SPÜRT mit den doofen Pimmelmützen! Außerdem stören die so fürchterlich im Ablauf des Aktes! Könnte ja sein, dass durch die Unterbrechung die Erektion nachlässt! Wie steht ihr dann da, au weia! Ganz zu schweigen von „Kondomallergie“!!
Doch im Grunde zählen diese Hinderungsgründe nicht wirklich. Denn erstens legt ein moderner verantwortungsvoller Singlemann sich nicht nur einen Vorrat guter Präser zu, er übt auch (ohne Frau), die Teile rasch, elegant und fehlerfrei überzustreifen, selbst im Dunkeln. Zweitens, seit kurzem gibt´s Latexkondome, die so dünn und durchsichtig sind, dass man sie kaum spürt noch sieht „Durex Invisible“, und latexfreie Kondome, die so dünn, flexibel und haltbar sind wie nie ein Kunststoffüberzieher zuvor „Natural Feeling“.
Liebe Frauen, auch ihr seid da gefragt. Lasst euch bei neuen und ungetesteten Partnern nicht auf ungeschützen Verkehr ein, egal wie süß der Typ ist, egal wie gut er riecht, wie gesund er aussieht und welche Argumente er vorbringt. Doch oft muss er nicht mal was vorbringen; ein häufiger unterschwelliger Grund, nicht auf Kondomen zu bestehen, ist: Man will nicht so dastehen, als ob man dem anderen unterstellt, dass er/sie „herumvögelt“ und sich dadurch böse Sachen eingefangen hat. Bei genauer Betrachtung ist dieser Gedankengang natürlich Bullshit, denn ein einziger Sexualkontakt reicht, um sich was einzufangen.
P.S. Und lasst euch nicht erzählen, er habe die letzten 15, 20 Jahre nur mit seiner braven Ex geschlafen…
© Beatrice Poschenrieder
Ist mir ein absolutes Rätsel. Ich habe selbst in der Ehe stets Kondome verwendet, außer als tatsächlich ein Kinderwunsch bestand. Dabei hat zwar auch eine Rolle gespielt, dass meine Frau aus gesundheitlichen Gründen hormonelle Verhütungsmittel gemieden hat, aber gelitten habe ich darunter nie. Und mir ist in all den Jahren übrigens auch nur ein einziges Mal ein Kondom gerissen. Da war ich noch ziemlich unerfahren und hatte oben nicht genug Platz gelassen, so dass das Kondom zu sehr unter Spannung stand. Seitdem ist das nie wieder passiert. Ehrlich gesagt bin ich so sehr an Sex mit Kondomen gewöhnt, dass ich eher Sex ohne Kondome als gewöhnungsbedürftig empfinde. 🙂
Vielen Dank für diesen aus deinem eigenen Leben stammenden „Pro-Kondom“-Kommentar! Super!