Ihre Methoden können sehr direkt sein – Sich-Einmischen, dominantes Auftreten, Aggression – oder auch subtil: Abwerten, belehren, bevormunden u.a.
Im letzten Blogbeitrag ging´s ja um den Typus „Kontrolleur“ – hier noch mehr Infos. Andere sagen dazu auch „Kontrollfreak“ oder „anankastische Persönlichkeitsstörung“, wobei letzteres nicht ganz das gleiche ist wie ein Kontrollfreak, aber es gibt sehr viele Überschneidungen. Bei der anankastischen = zwanghaften Persönlichkeitsstörung steht nicht nur der starke Drang nach Kontrolle, sondern auch Perfektionismus im Vordergrund, oft so stark, dass Aufgaben und Ziele nicht bewältigt werden können, weil der innere Anspruch einfach zu hoch ist. Dies ist bei vielen, die „nur“ Kontrollettis sind, nicht der Fall – sie wollen bloß niemals die Kontrolle aus der Hand geben oder gar verlieren, weil dies in ihrem Unbewussten mit sehr unangenehmen Befürchtungen verbunden ist (etwa, böse Fehler zu machen und dann ganz dumm dazustehen oder die Folgen auslöffeln zu müssen; oder „ausgeliefert“ zu sein, völlig machtlos).
Dieses unbewusste Streben nach Kontrolle (über sich selbst, die anderen, die Situation, die Zukunft etc.) bewirkt auch, dass derjenige meist nicht locker ist (manchmal spielt er es, aber feinfühlige Menschen spüren die Anspannung dahinter), sondern eher starr, unflexibel, unspontan. Viele von ihnen wollen so viel wie möglich bestimmen und planen; aber manche Betroffenen wissen, dass dies Eigenschaften sind, mit denen man nicht gut ankommt, und haben gelernt, sie zu verstecken – stattdessen haben sie andere Verhaltensweisen entwickelt, um sich selbst und ihre Umgebung im Griff zu behalten. Das heißt, unter Umständen werden sie auch manipulativ.
Eine Freundin von mir war mal mit einem Kontrollfreak zusammen, der zwar anfangs sehr charmant war, aber es blitzte hier und da schon auf. Bereits sehr früh bot er an, ihr beruflich und finanziell zu helfen; leider ging meine Freundin darauf ein und gab ihm damit ein ziemliches Machtmittel an die Hand.
Er fing immer mehr an, über sie und die Beziehung bestimmen zu wollen, indem er zum Beispiel fast nie zuließ, dass sie etwas für ihn bezahlte (auf die Art konnte er ansagen, wann und wo man essen ging und was man sonst noch unternahm) oder dass sie beim Sex die Marschrichtung mitbestimmte; initiierte sie Sex oder versuchte sie ihm zu zeigen, was er für sie tun konnte, sperrte er sich meist. Er ließ auch sonst vieles nicht zu, bremste sie sehr häufig aus, schloss alles Mögliche von vornherein aus durch Ablehnung und Abwehr. Diese zeigte er auch sehr deutlich, wenn sie etwas sagte, machte oder an sich hatte, was ihm nicht zusagte. Und da sie ja von ihm geliebt werden wollte, lernte sie, die Dinge zu meiden, die bei ihm Ablehnung auslösen könnten.
Ferner wandte er noch die Ich-Opfer-Du-Täter-Masche an: Egal ob im Bett oder im Alltag, häufig stellte er sie hin als „du willst zu viel“ oder „immer willst du etwas anderes als ich“ oder warf ihr vor, sie beachte zu wenig, was er brauche oder wie er ticke – dabei beachtete ER sie zu wenig, aber zu dieser Erkenntnis gelangte sie erst nach längerer Zeit, als sie es mal schaffte, aus der Defensiv-Schiene herauszukommen.
Eines haben alle Kontrollettis gemeinsam: Ihr Bestreben nach Kontrolle ist so groß, dass sie Zwischenmenschliches sehr oft aus den Augen verlieren und dass sie zu wenig Gefühl für die Grenzen und die Selbstbestimmung anderer Menschen haben. Darunter leiden viele ihrer sozialen Beziehungen, auch Partnerschaften (falls nicht schon die Anbahnung scheitert).
Die Methoden, derer sie sich bedienen, können sehr direkt sein – Sich-Einmischen, Bestimmen-Wollen, Diktieren, dominantes Auftreten, aggressiver oder strenger Führungsstil – oder auch subtil: „Gute“ Ratschläge erteilen, belehren, bevormunden, schmollen, mauern, sabotieren, blocken, kritisieren, abwerten, „ich weiß, was besser für dich ist“, „ich opfere mich für dich auf, daher bist du mir ganz viel schuldig“ und so weiter. Manche Kontrollfreaks haben die ganze Palette in petto, wie etwa eine enge Angehörige von mir – weswegen ich früher auch dazu neigte. Eine ihrer Lieblingsmethoden: Dissen. Es gibt einen schönen Fachausdruck für diese Methode, die gegenüber Kindern geradezu sadistisch ist, da sie sie in große innere Angst versetzt: „Silent Treatment“ (Bestrafen durch Schweigen und Missachtung). Das hat meine Angehörige bis heute drauf, obwohl alle um sie herum längst erwachsen sind: Verhält man sich auf eine Art, die ihr nicht passt, setzt es entweder die Schuldkeule („du bist schuld, dass es mir nicht gut geht“) oder gleich das Ignorier-Abstrafen: Gesicht und Blick werden eisig, sie schaut durch dich durch, du existierst nicht mehr für sie, du wirst nicht mehr kontaktiert, deine Anrufe und Nachrichten werden ignoriert, ebenso wie deine Versuche, ein klärendes Gespräch zu führen, unter Umständen wirst du sogar von der Familie ausgeschlossen, und zwar so lange, bis du angekrochen kommst – selbst wenn es Jahre dauert.
Das heißt wiederum: Solchen extremen Kontrollfreaks ist die Kontrolle wichtiger als die Verbindung und die Bindung zu dir. Sie sind im Recht, du bist im Unrecht. Und sie lassen dann auch nicht mit sich verhandeln. Dass so jemand offen zugibt, dass er/sie im Unrecht war und dich um Verzeihung bittet, kommt sehr selten vor – und wenn, dann auch nicht von Herzen, sondern wiederum, um dich zu etwas zu kriegen.
Das Einzige, was du tun kannst, ist: Spiel das Spiel nicht mit. Mach dir klar, dass du kein Kind (mehr) bist, dessen Wohlergehen und Leben von dieser einen Person abhängt. Dein Leben und Wohlergehen hängen KEINESWEGS von ihr ab, selbst wenn es sich erst mal so für dich anfühlt.
Daher: Mach dich auch nie abhängig von einem Kontrollfreak, weder finanziell noch beruflich noch emotional.
Mir hat geholfen zu erkennen: Ich brauch diese Angehörige nicht zum Glücklichsein. Und ich brauche sie auch nicht so ernst zu nehmen.
Meiner Freundin hat geholfen zu erkennen: Sie hat genug Fähigkeiten, um beruflich und finanziell gut klarzukommen. Die volle Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, ist manchmal anstrengend, aber insgesamt weniger anstrengend, als mit dem falschen Partner zusammen zu sein.
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© Beatrice Poschenrieder